Die systemische Beratung ist ein beliebter Beratungsansatz, der vor allem in der sozialen Beratung (z. B. in der Familientherapie oder in Gruppen wie Mitarbeiter-Teams) zielführend angewendet wird. Auch im Alltag von Erzieherinnen und Erziehern in Kindertageseinrichtungen spielt die Beratung eine wichtige Rolle – sei es, um Kinder gezielt in ihrer Entwicklung zu fördern, Beobachtungen und Verhaltensweisen zu reflektieren oder konstruktive Elterngespräche zu führen.

Wir stellen dir vor, welche Bedeutung der systemischen Beratung im Kindergarten zuzuschreiben ist und wo sie sich zielführend einsetzen lässt: 

Was ist systemisches Coaching?

Beim systemischen Coaching handelt es sich um einen ganzheitlichen Beratungsansatz, der anstelle einer Person ein ganzes System in den Fokus nimmt. Im Kita-Kontext kann dies etwa das Kita-Kind mit dem ihm umgebenden Umfeld oder das soziale System des Kindergarten-Teams mit seinen wechselseitigen Beziehungen sein. Dem systemischen Ansatz liegt die Annahme zu Grunde, dass auf alle Akteure und Akteurinnen innerhalb eines bestimmten Systems verschiedene Faktoren einwirken, die Einfluss auf ihr Erleben und Handeln nehmen. Das können z. B. Zeit, Rollen, Erwartungshaltungen und Verantwortlichkeiten, die Interaktionen in einer Kindergartengruppe oder auch das Familiensystem sein, das die Kinder umgibt. Das Kind ist gemäß dieser Sichtweise lediglich Teil eines komplexen Gefüges. Es ist also beim systemischen Coaching stets das gesamte System zu betrachten, damit Veränderungen bewirkt werden können.

Wann ist systemische Beratung in der Kita sinnvoll?

Systemisches Coaching kann beispielsweise helfen, um die kindliche Entwicklung zu fördern und Eltern-Kind-Beziehungen zu stärken. Dieser Ansatz ermöglicht eine ganzheitliche Betrachtung des Kindes, mit all seinen Bedürfnissen, seinen Beziehungen und den Einflüssen seines Umfelds. Mithilfe der systemischen Beratung können gezielt Lösungen für alltägliche Herausforderungen gefunden werden, mit welchen sich zum einen die Eltern und Erzieher in der Kindertageseinrichtung, zum anderen auch die Kinder selbst konfrontiert sehen.

Kennzeichen systemischer Arbeit in Kita und Schule

Als Mutter der systemischen Beratung gilt die US-amerikanische Psychotherapeutin Virginia Satir, die vor allem in der Familientherapie tätig war. Ihr Gedanke, anstelle einer Einzelperson die gesamte Familie zu therapieren, war Anfang der 50er Jahre ganz neu.

Die systemische Herangehensweise an Probleme und Konflikte ist u. a. geprägt von folgender Haltung und diesen Grundlagen:

  • Wertschätzung: Akzeptanz und Einfühlungsvermögen zeichnen die Grundhaltung systemischer Beraterinnen und Berater aus. Sie gehen unvoreingenommen in die Beratung, bleiben neutral und verstehen sich als Vermittler. 
  • Begegnung auf Augenhöhe: Die Auftragsklärung bildet die Basis, um eine systemische Beratung durchzuführen. Die Klärung des Auftrags sollte sich nach den Bedürfnissen der Klienten richten und nicht nach einem standardisierten Vorgehen. Denn das Menschenbild, welches der systemischen Beratung zu Grunde liegt, sieht die Autonomie des Einzelnen vor und fußt somit auf der Annahme, dass die Klienten die Experten für ihr eigenes Leben sind. Berater und Klient begegnen sich auf Augenhöhe.
  • Lösungsorientierung: Der Schwerpunkt der Beratung liegt darauf, die Menschen im Hier und Jetzt dabei zu unterstützen, eine passende Lösung zu finden und weniger auf der Analyse von Konflikten oder Problemen, die in der Vergangenheit wurzeln. Hypothetische Situationen, Metaphern und gedankliche Fallbeispiele helfen dabei, eine neue Perspektive zu entwickeln und Handlungsoptionen aufzudecken.
  • Ressourcenorientierung: In jedem schlummern Stärken und Kompetenzen, die sich lösungsorientiert einsetzen lassen. Ein systemischer Coach hilft mittels geschickter Gesprächsführung dabei, diese Fähigkeiten freizusetzen und eine Veränderung zu bewirken, die das gesamte System positiv beeinflussen kann.
  • Selbstheilungskräfte: Die Annahme ist, dass die Lösung in den Beteiligten selbst zu finden ist. Mittels geeigneter Werkzeuge soll der Berater die Selbstheilungskräfte des Systems anstoßen. Dies gelingt durch die Reflektion des Verhaltens, der Beziehungen und Situation der Betroffenen: es werden neue Erkenntnisse gewonnen und eine neue Realität kann konstruiert werden.

Ziele der systemischen Arbeit in der Kita

Das Ziel des systemischen Coachings im Arbeitsfeld Kita ist es, einen Wechsel der Perspektive herbeizuführen, das Denken oder die Grundhaltung in Frage zu stellen, um einen neuen, nachhaltigen Weg als Lösung im Umgang mit (wiederkehrenden) Problemen zu finden. Im Fokus stehen die Ressourcen aller Beteiligten, welche zu diesem Prozess beitragen.

Hier kann systemisches Coaching in der Kita beispielsweise zum Einsatz kommen:

  • Bei Problemen und Konflikten: Ob Unstimmigkeiten im Team oder in der Zusammenarbeit mit den Eltern – die Ansätze und Methoden der systemischen Beratung helfen an vielerlei Stellen im Kita-Alltag. Indem der Schwerpunkt gezielt auf potenzielle Lösungen sowie die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Beteiligten gelegt wird, wird lösungsorientiertes Vorgehen geschult und Schwierigkeiten können zum Wohle aller überwunden werden.
  • Zur Förderung der Eltern-Kind-Beziehung: Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern ist vor allem im frühen Kindesalter elementar. Erzieherinnen und Erzieher können hier eine wichtige Position einnehmen und dazu beitragen, eine stabile und positive Beziehung zwischen Eltern und Kindern zu etablieren und zu stärken. Durch die systemische Beratung der Eltern lernen diese, auf die Bedürfnisse ihres Kindes einzugehen und möglichen Schwierigkeiten konstruktiv zu begegnen.
  • Zur Förderung der kindlichen Entwicklung: Im Mittelpunkt des Kita-Alltags steht das Wohl, die Entwicklung und Förderung der Kinder. Sowohl die kognitive als auch die motorische und emotionale Entwicklung der Kleinsten können durch die systemische Betrachtung des Kindes und seines Umfelds gezielt gefördert werden.

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Systemisches Arbeiten mit Kindern: Die Methoden

Um systemisch mit Kindern arbeiten zu können, bieten sich einige erprobte Methoden an, die je nach spezifischen Kontext und Bedürfnissen von Eltern und Kindern angewendet werden können – darunter folgende:

  • Reframing: Eine bestehende Situation und das Verhalten aller wird hierbei aus einer anderen Sichtweise betrachtet. Daraus lassen sich neue Erkenntnisse gewinnen und eine Umdeutung hin zu einer positiven Wahrnehmung des Verhaltens / der Situation wird ermöglicht.
  • Disney-Methode: Bei dieser Kreativitätstechnik geht es darum, in wechselnde Rollen zu schlüpfen und ein Problem / eine Fragestellung aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Auf diese Weise lassen sich Ziele ausloten und kreative Ansätze identifizieren, mit denen weitergearbeitet wird.
  • Reality-Check: Ausgehend von dem Wissen, dass Empfinden und Einschätzungen immer subjektiv sind, versucht der Coach durch geschicktes Fragen herauszustellen, wie sich der Kern eines Problems gestaltet. 
  • Arbeit mit Hypothesen: Systemische Hypothesen als Annahme über die Wirklichkeit aufzustellen kann helfen, Wechselwirkungen im System aufzuzeigen. Diese vorläufigen Annahmen werden geprüft, bei Bedarf modifiziert und dienen als Grundlage, um sogenannte “Interventionen” vorzunehmen: Das sind Werkzeuge und Methoden, die der systemische Berater im Laufe des Prozesses und in der Beratung einsetzt. Im Kita-Kontext sind vor allem kreative und spielerische Interventionen sinnvoll, um auf zugängliche Weise schwierige Themen oder Situationen zu diskutieren.
  • Mit Fragen führen: Geschickt gestellte Fragen dienen dazu, um zur Reflexion anzuregen und neue Perspektiven zu eröffnen. Ein Beispiel sind sogenannte “zirkuläre Fragen”: Durch diese Art von Fragen können Wechselwirkungen aufgezeigt werden, z. B.: “Was würde geschehen, wenn du als nächstes dies oder jenes tust?” So lassen sich auch Verhaltensmuster erkennen sowie Beziehungs- und Interaktionsdynamiken verstehen – was letztlich hilft, der komplexen Ausgangslage zu begegnen.

Bei all diesen Methoden sind Fähigkeiten wie genaue Beobachtung und adäquate Dokumentation wichtig. Im Umgang mit den Eltern sind vor allem Elterngespräche das Mittel der Wahl: Hier kommen Eltern, zuständige Fachkräfte und systemische Berater zusammen, um über das Kind, seine Entwicklung und mögliche Schwierigkeiten zu sprechen. Ein gemeinsames Verständnis der Situation soll entwickelt werden, um auf dieser Basis Lösungen zu finden. Auch Elternabende und Workshops können einen geeigneten Rahmen darstellen, um sich zu relevanten Themen auszutauschen, etwa zur Kindesentwicklung, zu pädagogischen Strategien oder zu sozialen Kompetenzen.

Im pädagogischen Umgang mit den Kindern sind Geschichten, Metaphern und die spielerische Auseinandersetzung mit Themen ein geeigneter Ansatz, um Kindern zu ermöglichen, ihre Bedürfnisse, Gefühle und Erlebnisse zu verstehen und auszudrücken.

Ablauf einer systemischen Beratung im Kindergarten

Die systemische Beratung im Kindergarten wird an die vorgefundene Situation und die individuellen Bedürfnisse des Kindes und der Eltern angepasst, umfasst aber grob die folgenden Schritte:

  • Erstgespräch: In einem ersten Gespräch kommen alle Teilnehmer wie Erziehungsberechtigte oder Bezugspersonen, systemische Berater und Erzieher zusammen und tauschen sich zur gegebenen Situation, der Entwicklung des Kindes und über mögliche Probleme aus. Auf diese Weise bekommen alle einen Überblick über die Situation und grobe Ziele können festgelegt werden.
  • Kontrakt: Es wird in der Auftragsklärung genau festgelegt, wie sich die Beratungsarbeit gestaltet, welche Ziele anvisiert werden und wie die unterschiedlichen Interessen, Rollen und Verantwortungsbereiche am besten berücksichtigt werden.
  • Systemische Gespräche: Mit ihrem Werkzeugkoffer an vielfältigen Methoden steigen die Coaches in die systemische Beratung ein.
  • Evaluation: Nun werden die eingangs gesetzten Ziele überprüft, der gesamte Prozess reflektiert und gemeinsam bewertet, ob Handlungsalternativen und damit wirksame Lösungen für die Praxis herbeigeführt werden können.

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